Eine Kooperation mit dem DFG-Projekt «Schweizer Heiligenspiele» von Prof. Dr. Cora Dietl, Universität Giessen

Inszenierungen von Heiligkeit im Kontext der konfessionellen Auseinandersetzungen. Schweizerische Heiligen- und Märtyrerspiele des 16. und frühen 17. Jahrhunderts

Leitung: Prof. Dr. Cora Dietl, Universität Giessen

Schweizer Projektpartnerin: PD Dr. Heidy Greco-Kaufmann

Unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Laufzeit 2017-2020

Einführung

Das Projekt stellt eine Fortsetzung einer längeren Forschungszusammenarbeit zwischen Prof. Dr. Cora Dietl und PD Dr. Heidy Greco-Kaufmann dar. Ursprünglich geplant war ein bilaterales Forschungsprojekt zu Heiligenspielen in Deutschland und der Schweiz. Aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten konnte das im Jahr 2013 konzipierte Schweizer Projekt „Inszenierung der Heiligen. Volkssprachliche Heiligen- und Märtyrerspiele im Zeitalter der Konfessionalisierung und ihre Rezeption im 20. Jahrhundert“ nicht in der geplanten Form in Angriff genommen werden. Realisiert wurde seitens der Schweiz die kommentierte Herausgabe des ältesten deutschsprachigen Bruderklausenspiels (Heidy Greco-Kaufmann/Elke Huwiler (Hg.): Das Sarner Bruderklausenspiel von Johann Zurflüe (1601), Chronos, Zürich 2017).

In gegenseitiger Übereinkunft flossen die bereits erhobenen Daten zu den Schweizer Spielen des 16./17. Jahrhunderts in das Nachfolgeprojekt von Prof. Dr. Dietl ein – die Rezeption des Heiligenspiels wird u.a. im (vom SNF bewilligten) Forschungsprojekt zu Oskar Eberle (Laufzeit 2018 – 2021) thematisiert. Das ab 2017 von der DFG finanzierte Projekt „Inszenierungen von Heiligkeit im Kontext der konfessionellen Auseinandersetzungen. Schweizerische Heiligen- und Märtyrerspiele des 16. und frühen 17. Jahrhunderts“ wird unter Schweizer Beteiligung durchgeführt: Dr. Elke Huwiler wirkt als Projektmitarbeiterin, PD Dr. Heidy Greco-Kaufmann steht den Projektmitarbeitenden hinsichtlich paläographischer und kontextueller Fragen beratend zur Seite und steuert einen Beitrag zur Monographie bei.

Inhalt und Ziel des Forschungsprojekts

'Schweizerische Heiligenspiele der Reformationszeit' erscheinen auf den ersten Blick als ein Ding der Unmöglichkeit. Unter dem Einfluss der vehementen Ablehnung des Heiligenkults durch Zwingli und Oekolampad war in den reformierten Regionen der Schweiz nicht an Heiligenspiele zu denken. Umso gewichtiger ist die identitätssichernde Funktion des Heiligenspiels in den katholisch gebliebenen Regionen der Schweiz. Das Projekt, das sich als eine Fortsetzung des Projekts "Inszenierungen von Heiligkeit im Kontext der konfessionellen Auseinandersetzungen. Protestantische und katholische Märtyrerdramen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts" versteht, stellt das schweizerische Drama als eine deutlich stärker polarisierte Form des provokanten interkonfessionellen Dialogs neben die in den ersten drei Jahren der Projektlaufzeit untersuchten deutschen Spiele desselben Untersuchungszeitraums (ca. 1520-1620). Während das Märtyrerdrama im Heiligen Römischen Reich ein beliebtes Genre lutherisch-protestantischer Schulaufführungen war, das ein spezifisch protestantisches Verständnis von 'Heiligkeit' und 'Märtyrertum' kommunizierte und dazu die persuasive Kraft des Theaters nutzte, wird dem schweizerischen Heiligen- und Märtyrerspiel des 16. Jahrhunderts ein extremer Konservatismus vorgeworfen, was mit der Grund dafür ist, weshalb diese Texte in der Forschung kaum beachtet werden, obwohl manche von ihnen in neueren Editionen vorliegen. Ob die schweizerischen Spiele tatsächlich als (ostentativ) konservative und mittelalterliche Elemente der Spiele noch übersteigende Formen des Theaters gelten können und inwiefern sie damit einen wirkungsvollen Beitrag im interkonfessionellen Streit darstellen, ist eine der Kernfragen des Projekts. Der vergleichende Blick zwischen Deutschland und der Schweiz vermag umso besser die Frage nach der performativen Kraft des Massenmediums Theater zu beantworten, ebenso wie die Frage nach den Möglichkeiten einer Funktionalisierung und Instrumentalisierung dieses Mediums für religiöse und politische Zwecke. Neben literatur- und kulturwissenschaftlichen Analysekategorien wie Form, Rhetorik, Performanz, Raumregie, Akustik und Ästhetik werden auch die historischen, kulturellen und theologischen Kontexte der Spiele berücksichtigt. Zentral ist für die Analyse der Spiele und ihrer Aufführungen die Frage nach dem Begriff von 'Heiligkeit', der epochenübergreifend einerseits Gegenstand, andererseits Werkzeug interkonfessioneller und interreligiöser Auseinandersetzungen ist und ein Phänomen beschreibt, das Literatur und Kunst je unterschiedlich konstruieren können. Das Projekt zielt auf drei Editionen schwer zugänglicher, handschriftlich tradierter Dramen, die diese Texte erstmals erschließen, sowie auf eine Monographie, welche die schweizerischen Heiligen- und Märtyrerspiele umfassend beschreibt, im Vergleich mit den deutschen katholischen und protestantischen Märtyrerdramen.