Fachgeschichte Theaterwissenschaft: Schweiz/Österreich – Netzwerke und Kontexte (HoTS)

Projektleiter:innen: Beate Hochholdinger-Reiterer (Institut für Theaterwissenschaft (ITW), Universität Bern (Lead Agency)), Birgit Peter (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft (tfm), Universität Wien)

Mitarbeiter:innen: Claudius Baisch (Praedoc/ ITW, Universität Bern), Carolina Heberling (Postdoc/ ITW, Universität Bern), Sofia Martynova (Hilfsassistenz/ ITW, Universität Bern), Theresa Schwarzkopf (Praedoc/ ITW, Universität Bern), Isabel Sulger Büel (Hilfsassistenz/ ITW, Universität Bern), Klaus Illmayer (Postdoc/ tfm, Universität Wien), Sara Tiefenbacher (Postdoc/ tfm, Universität Wien)

Laufzeit: 01.11.2023-31.10.2027 (Universität Bern)

Kooperationspartner:innen: Martina Cuba (Fachbereichsbibliothek tfm, Universität Wien), Tobias Hodel (Digital Humanities - Walter Benjamin Kolleg, Universität Bern), Christian Lüthi (Universitätsbibliothek, Universität Bern), Stefanie Mahrer (Abteilung Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte, Universität Bern), Beate Schlichenmaier (SAPA - Schweizer Archiv der Darstellenden Künste), Kristina Schulz (Institut d'Histoire Université de Neuchâtel), Franziska Voß (Fachinformationdienst Darstellende Kunst, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main)

Fördergeber: Schweizerischer Nationalfonds (212859) und Österreichischer Wissenschaftsfonds (FWF, I 6417-G)

Projektbeschreibung:

Der Ansatz des Projektes, das gemeinsam an der Universität Bern/ ITW (Lead Agency) und an der Universität Wien/ tfm durchgeführt wird, basiert auf dem Faktum, dass die universitäre Theaterwissenschaft im Nationalsozialismus als ideologisch hochrelevant eingestuft und dementsprechend gefördert wurde. Daher untersucht das Projekt sowohl die Anfänge theaterwissenschaftlicher Forschung und Lehre in Österreich und der Schweiz – zwei Länder, welche fachhistorisch bisher kaum berücksichtigt wurden – als auch Fragen nach den Exklusionsmechanismen aufgrund von Antisemitismus, Rassismus, Misogynie, Homophobie, «Anti-LGBTIQ*»und Antidemokratie für die Etablierung und Manifestierung des Fachs im deutschsprachigen Raum. Aufgrund der Komplexität und Heterogenität der bisher unberücksichtigt gebliebenen Forschungsfragen verfolgt das Projekt mittels eines Methodenmix aus vergleichender Quellenanalyse, historischer Kontextualisierung und Digital Humanities einen innovativen Ansatz. Es vereint Forschungsperspektiven der Theaterwissenschaft, der transnationalen Geschichtswissenschaft, Memory-Studies, Genderforschung, Queer Studies und Kulturwissenschaften mit den methodisch-theoretischen Grundlagen, Analysen und Verfahren der Digital Humanities. Dazu wird der Community eine digitale Forschungsplattform zur Verfügung gestellt, um einen permanenten reflexiven Umgang mit der Fachgeschichte zu gewährleisten und gleichzeitig anzuregen.

Die kanonbestimmenden Akteure, wie beispielsweise der im Projekt untersuchte Heinz Kindermann, haben ein theaterhistorisches und theaterbegriffliches Konstrukt erfunden, das tief im deutsch-völkischen Denken des späten 19. Jahrhunderts verankert ist. Exkludierende Vorurteile wie Misogynie, Homophobie, «Anti-LGBTIQ*», Antisemitismus, Antislawismus, um nur einige zu nennen, sind Säulen dieses Denkens. Unsere Auseinandersetzung dokumentiert die lange Wirksamkeit dieser kanonisierenden Episteme und die damit einhergehende permanente Weitertradierung exkludierender Vorurteile. Parallel dazu werden im gesamten Projekt proaktiv Daten zu exkludierten Forschenden und Epistemen gesucht und auf der Plattform sichtbar gemacht. Damit sollen die Mechanismen ausgrenzender kanonisierter Begrifflichkeiten transparent gemacht, die Perspektive auf noch nicht geschriebene Fachgeschichte eröffnet und erste historische Grundlagen zur Verfügung gestellt werden. So wurden beispielsweise die theaterhistorischen Arbeiten der jüdischen Gelehrten Helene Richter von NS-Akteuren für eigene Forschungen nachweislich verwendet, jedoch nicht zitiert, ihre Bibliothek geraubt und der Österreichischen Theatersammlung sowie der Bibliothek des Wiener theaterwissenschaftlichen Instituts einverleibt.

Das Projekt versteht sich als theaterhistorische Grundlagenforschung, das bisher unberücksichtigte Archivalien erstmals für die Fachgeschichtsschreibung aufbereitet. Fachhistorische Grundlagen in Form von bisher unberücksichtigtem Archivmaterial sind eine methodische Basis des Projektes. Neben der traditionellen historischen Auswertung und Analyse des Materials werden ausgesuchte Dokumente über die Plattform sichtbar gemacht. Die Auswahl basiert auf mehrdimensionalen inhaltlichen, datenschutzrechtlichen und ethischen Kriterien.