Die Internationalisierung der Theaterwissenschaft (Arbeitstitel)

Doktorandin: Theresa Schwarzkopf

Betreuung: Prof. Dr. Beate Hochholdinger-Reiterer

Projekt: History of Theatre Studies – Swiss/Austrian Networks and Contexts

Im Dissertationsprojekt geht es um Prozesse internationaler Vernetzung der Theaterwissenschaft in den 1950er bis 1970er Jahren vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Im Zentrum steht die bisher unerforschte International Federation for Theatre Research, die 1957 in transnationaler Zusammenarbeit gegründet wurde. Einen zweiten Schwerpunkt stellen die verschiedenen Theaterausstellungen in der Schweiz und in Österreich dar, die nach dem Vorbild der Weltausstellungen ebenfalls mit Praktiken der Internationalisierung, aber auch mit der Kreation und Repräsentation nationaler Selbstverständnisse, verbunden waren.

Die Untersuchung der beiden Gegenstände, die als miteinander in einem Spannungsverhältnis stehend zu betrachten sind, begibt sich in das Innerste der theaterwissenschaftlichen Fachgeschichte: Sie orientiert sich an der Frage, welche Themen und Wissenschaftler:innen die internationalen Konferenzen bzw. Ausstellungen dominierten und damit bestehende Ausschlussmechanismen reproduzierten und die Entwicklung der Disziplin bestimmten. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den österreichischen und schweizerischen Akteur:innen, wobei es ein weiteres Ziel der Dissertation ist, an die von der Macht definierten Ränder zu blicken und aus Diskriminierungsgründen von der Mitsprache ausgeschlossene Personen ausfindig zu machen (z. B. jüdische, weibliche, queere Personen) sowie nach weiterhin ausgeklammerten Forschungsfeldern zu fragen.

Vor den Hintergründen des Zweiten Weltkrieges, des Nationalsozialismus und des Holocaust ist es von besonderem Interesse, den Zusammenhängen der nationalen Institute, Fachgesellschaften, Theatersammlungen und -bibliotheken sowohl untereinander als auch in Bezug auf die Gründung der ersten internationalen Fachgesellschaft nachzugehen: Welche Funktionen sollte die IFTR erfüllen? Welche Strategien der Erinnerungskultur und Ziele motivierten zur Zusammenarbeit? Wie positionierten sich die Akteur:innen gegenüber der deutschsprachigen Theaterwissenschaft, die schwerwiegend durch den Nationalsozialismus belastet war? Wie begegneten sie sich nach diesen traumatischen Erfahrungen mitunter als Opfer bzw. Täter:innen? Gab es Versuche der Versöhnung?

Mithilfe (Theater-) historiografischer, diskursanalytischer und quellenkritischer Zugänge wird versucht, Relevantes aus dem grossen Materialkorpus zu extrahieren und die Geschichten der behandelten Gegenstände zu erzählen. Dabei wird stets ein verantwortungsbewusster,historisierender Umgang angestrebt.